Avery Gia Schramm
Copy Paste
copy and paste
Memes sind ein Phänomen unserer Zeit. Aus finstersten Ecken wie dem Imageboard 4chan haben sich diese dezentral organisierten Spaßbildchen längst in den absoluten Mainstream gemausert und werden mittlerweile auch von millionenschweren Unternehmen zu Werbezwecken verwendet. Als Teil der Remixkultur zitieren sie alles, was sich irgendwie im Internet darstellen lässt, was in aktuellen Debatten vor allem Urheberrechtsfragen aufwirft. Aus den finsteren Ecken haben sie sich aber nie wirklich emanzipiert. Auf 8chan, einer rechtsradikal verschärften Version von 4chan, kann man das gut sehen. Anne Frank Pornografie steht hier neben rassistischen, sexistischen, antimuslimischen und antisemitischen Gewaltfantasien. Für einen Witz geht man dort über Leichen. Wer sich verletzt fühlt, ist ein Spaßverderber. Hier artikuliert sich eine vornehmlich weiße und männliche Gemeinschaft, die gerne Computerspiele spielt und sich von dem linken Mainstream abgespalten fühlt. Rechtesxtremisten rekrutieren ihre Anhängerschaft anonym in weitgehend unkontrollierten Computerspielchats. Das hat alles auch insofern Brisanz, als dass der Attentäter von Christchurch einen Link zu einem Lifestream seinem von diesen Memes inspirierten Anschlag auf eben dem Imageboard 8chan postete. „Subscribe to Pewdiepie“ sagte der Mann kurz vor seinem Attentat und griff damit ein zu dieser Zeit ein nicht nur in rechten Kreisen beliebtes Meme auf. Die grenzen von Spaß und Ernst, Medium und Zuschauer, Legalem und Illegalem, Original und Kopie vermengen sich hier auf eine Weise, die in dieser Erscheinungsform ein historisches Novum ist. Fluide sind auch die Übergänge, wenn diese Bilder aus dem Sud dieser Imageboards auf Facebook auftauchen, wo man mit dem Löschen dieser Massen fragwürdiger Inhalte nicht mehr hinterherkommt. Es ist nicht immer klar, welche Inhalte rechts und welche es nicht sind. Die neue Rechte in Deutschland macht sich diese Ambivalenz zunutze und bedient sich längst Memes als eines einfachen Kommunikationsmediums, auf dem unter dem Deckmantel des Spaßes radikale Ideen unter die Leute gebracht werden. Der Künstler Götz Schramm greift dieses Thema in der Ausstellung „copy and paste“ auf. In seinen Bildern kommen sie alle wieder: Pepe the Frog, Grumpy Cat, ein Pizza essender Katzensticker, das Gif eines vermenschlichten Hundes, der vor einem Laptop sitzt. Doch statt, wie es naheliegend wäre, digitale Collagen herzustellen, malte er diese Bilder akribisch mit der Hand. Der betriebene Aufwand steht auf dem ersten Blick in keinem Verhältnis zum Resultat. Warum diese Mühe?
Götz Schramm geht es eben nicht nur um Memes. Er stellt bewusst Bezüge zur abendländischen Denk- und Kunsttradition her. Das lässt sich am Bild „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ zeigen. Pepe the Frog, Sinnbild für die neurechte Wählerschaft Donald Trumps, hält Händchen mit Grumpy Cat. Diese Köpfe wurden den zwei Personen in Friedrich Overbecks „Italia und Germania“ aufgesetzt. Overbeck (1789-1869) idealisierte, ganz der romantischen Tradition folgend, das Mittelalter als Ort des Unbedingten, das den Romantikern im Zuge der Rezeption der Schriften Kants und Fichtes verlorengegangen war. Es war auch die romantische Schule, aus dessen Geist, zunächst in demokratischer Absicht, die Idee eines deutschen Nationalstaats gebärte, die im Mittelalter und der deutschen Kulturgeschichte nach einer nationalen Identität suchten. Die sich gerade etablierende Germanistik hatte zum Beispiel genau das zur Aufgabe. Die Rückbesinnung auf angeblich bessere Zeiten in der Vergangenheit und die Suche nach einer Kulturnation Deutschland in der Romantik schafft eine Verbindung zur Gestrigkeit der neuen Rechten. Ganz der Remixkultur der Memes folgend, vermischt Schramm aktuelle Tendenzen mit historischen Entwicklungslinien. Diese Remixmethode zieht sich durch die ausgestellten Werke Schramms. Die Karl Marx Büste in Chemnitz trifft auf E.T., den Außerirdischen. Die Enten des Albumcovers von Tocotronics „Es ist egal, aber“ wackeln neben Goethe aus Tischbeins „Goethe in der Campagna“. Wenn sie sich nicht gerade zufällig vor idealisierten Mittelalterschlößern aufhalten, scheinen sie in einem unwirklichen Farbraum losgelöst herumzuschweben.
Wäre es nun so, dass Schramms Bilder lediglich ein Steigbügelhalter für politische Botschaften sind, stünde die Frage im Raum, warum er sich die Mühe machte, statt einer schriftlichen politischen Botschaft überhaupt Bilder zu malen. Schramms Bilder gehen aber darüber hinaus, sind immer mehr als nur Botschaft. Dafür stehen unter anderem die Bilder „Still einer Doggo-Gif“, „Sticker der Pizza-Pusheen auf Photoshophintergrund“ und „Gerendertes Zirkumflex“. In ihnen nähert er sich wahrnehmend der digitalen Bildfläche an, probiert verschiedene analoge Darstellungsweisen aus und erkundet somit den virtuellen Raum. Diese Erkundungen computergenerierter Welten sind eine Dimension, die über das Politische hinaus in allen Bildern Schramms eine zentrale Rolle spielen.
Text: Joshua Schößler
Single Works
Exhibition Views
Single Works
Avery Gia Schramm
Copy Paste
copy and paste
Memes sind ein Phänomen unserer Zeit. Aus finstersten Ecken wie dem Imageboard 4chan haben sich diese dezentral organisierten Spaßbildchen längst in den absoluten Mainstream gemausert und werden mittlerweile auch von millionenschweren Unternehmen zu Werbezwecken verwendet. Als Teil der Remixkultur zitieren sie alles, was sich irgendwie im Internet darstellen lässt, was in aktuellen Debatten vor allem Urheberrechtsfragen aufwirft. Aus den finsteren Ecken haben sie sich aber nie wirklich emanzipiert. Auf 8chan, einer rechtsradikal verschärften Version von 4chan, kann man das gut sehen. Anne Frank Pornografie steht hier neben rassistischen, sexistischen, antimuslimischen und antisemitischen Gewaltfantasien. Für einen Witz geht man dort über Leichen. Wer sich verletzt fühlt, ist ein Spaßverderber. Hier artikuliert sich eine vornehmlich weiße und männliche Gemeinschaft, die gerne Computerspiele spielt und sich von dem linken Mainstream abgespalten fühlt. Rechtesxtremisten rekrutieren ihre Anhängerschaft anonym in weitgehend unkontrollierten Computerspielchats. Das hat alles auch insofern Brisanz, als dass der Attentäter von Christchurch einen Link zu einem Lifestream seinem von diesen Memes inspirierten Anschlag auf eben dem Imageboard 8chan postete. „Subscribe to Pewdiepie“ sagte der Mann kurz vor seinem Attentat und griff damit ein zu dieser Zeit ein nicht nur in rechten Kreisen beliebtes Meme auf. Die grenzen von Spaß und Ernst, Medium und Zuschauer, Legalem und Illegalem, Original und Kopie vermengen sich hier auf eine Weise, die in dieser Erscheinungsform ein historisches Novum ist. Fluide sind auch die Übergänge, wenn diese Bilder aus dem Sud dieser Imageboards auf Facebook auftauchen, wo man mit dem Löschen dieser Massen fragwürdiger Inhalte nicht mehr hinterherkommt. Es ist nicht immer klar, welche Inhalte rechts und welche es nicht sind. Die neue Rechte in Deutschland macht sich diese Ambivalenz zunutze und bedient sich längst Memes als eines einfachen Kommunikationsmediums, auf dem unter dem Deckmantel des Spaßes radikale Ideen unter die Leute gebracht werden. Der Künstler Götz Schramm greift dieses Thema in der Ausstellung „copy and paste“ auf. In seinen Bildern kommen sie alle wieder: Pepe the Frog, Grumpy Cat, ein Pizza essender Katzensticker, das Gif eines vermenschlichten Hundes, der vor einem Laptop sitzt. Doch statt, wie es naheliegend wäre, digitale Collagen herzustellen, malte er diese Bilder akribisch mit der Hand. Der betriebene Aufwand steht auf dem ersten Blick in keinem Verhältnis zum Resultat. Warum diese Mühe?
Götz Schramm geht es eben nicht nur um Memes. Er stellt bewusst Bezüge zur abendländischen Denk- und Kunsttradition her. Das lässt sich am Bild „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ zeigen. Pepe the Frog, Sinnbild für die neurechte Wählerschaft Donald Trumps, hält Händchen mit Grumpy Cat. Diese Köpfe wurden den zwei Personen in Friedrich Overbecks „Italia und Germania“ aufgesetzt. Overbeck (1789-1869) idealisierte, ganz der romantischen Tradition folgend, das Mittelalter als Ort des Unbedingten, das den Romantikern im Zuge der Rezeption der Schriften Kants und Fichtes verlorengegangen war. Es war auch die romantische Schule, aus dessen Geist, zunächst in demokratischer Absicht, die Idee eines deutschen Nationalstaats gebärte, die im Mittelalter und der deutschen Kulturgeschichte nach einer nationalen Identität suchten. Die sich gerade etablierende Germanistik hatte zum Beispiel genau das zur Aufgabe. Die Rückbesinnung auf angeblich bessere Zeiten in der Vergangenheit und die Suche nach einer Kulturnation Deutschland in der Romantik schafft eine Verbindung zur Gestrigkeit der neuen Rechten. Ganz der Remixkultur der Memes folgend, vermischt Schramm aktuelle Tendenzen mit historischen Entwicklungslinien. Diese Remixmethode zieht sich durch die ausgestellten Werke Schramms. Die Karl Marx Büste in Chemnitz trifft auf E.T., den Außerirdischen. Die Enten des Albumcovers von Tocotronics „Es ist egal, aber“ wackeln neben Goethe aus Tischbeins „Goethe in der Campagna“. Wenn sie sich nicht gerade zufällig vor idealisierten Mittelalterschlößern aufhalten, scheinen sie in einem unwirklichen Farbraum losgelöst herumzuschweben.
Wäre es nun so, dass Schramms Bilder lediglich ein Steigbügelhalter für politische Botschaften sind, stünde die Frage im Raum, warum er sich die Mühe machte, statt einer schriftlichen politischen Botschaft überhaupt Bilder zu malen. Schramms Bilder gehen aber darüber hinaus, sind immer mehr als nur Botschaft. Dafür stehen unter anderem die Bilder „Still einer Doggo-Gif“, „Sticker der Pizza-Pusheen auf Photoshophintergrund“ und „Gerendertes Zirkumflex“. In ihnen nähert er sich wahrnehmend der digitalen Bildfläche an, probiert verschiedene analoge Darstellungsweisen aus und erkundet somit den virtuellen Raum. Diese Erkundungen computergenerierter Welten sind eine Dimension, die über das Politische hinaus in allen Bildern Schramms eine zentrale Rolle spielen.
Text: Joshua Schößler
Single Works
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